Psyche und Bewusstsein
Zwei Sichtweisen, die sich wunderbar ergänzen und vieles erklär- und verstehbar machen
Psyche und Bewusstsein
Psyche und Bewusstsein - es ist gar nicht so einfach, zwei Sichtweisen, die sich auf den ersten Blick zu widersprechen scheinen, zu vereinen.
Während für manche Vertreter der Psychologie ein höheres Bewusstsein nicht zu existieren scheint, ignorieren einige, die sich für einen spirituellen Weg entschieden haben, die psychischen Phänomene.
Das finde ich sehr schade, denn nach meiner Erfahrung ergänzen sich diese beiden Bereiche wunderbar.
Die Herausforderungen, denen wir auf dem Weg der Bewusstwerdung begegnen, drehen sich um die Psyche und
über ein Verstehen der unterschiedlichen Ebenen des bewusst seins, wird es einfacher zu erkennen, wo wir gerade umgehen, und es wird somit möglich, aus der jeweiligen psychischen Dynamik auszusteigen.
Wie ich zu dieser ergänzenden Sichtweise kam, darüber möchte ich in diesem Beitrag schreiben.
Das innere Drängen und die äußere Suche
Seit ich mich erinnern kann, gibt es ein gewisses Drängen in mir.
Lange Zeit wusste ich nicht, was es mit diesem Drängen auf sich hatte oder wohin es mich drängte.
Ich kam einfach nicht zur Ruhe.
So begab ich mich bereits in jungen Jahren auf die Suche und wie die meisten Menschen suchte ich mein Glück im Außen, in dieser Welt.
Aber egal, was ich auch unternahm, es änderte nichts an diesem Drängen, das in mir war. Ich sammelte Erfahrungen, hatte so meine Erfolge und Misserfolge, doch innerlich wurde es nicht ruhiger.
Ein wenig neidvoll blickte ich auf meine Mitmenschen. Diese schienen zufrieden zu sein. Sie waren damit beschäftigt, sich ihr Leben aufzubauen, verfolgten ihre Karriere, vertieften und hielten ihre Beziehungen, schufen sich ein Eigenheim und eine Familie. Sie schienen anzukommen, während ich ruhelos herumirrte.
Der Ort der Suche ändert sich
Im Alter von 22 Jahren beschloss ich eine Weltreise zu machen, die mich unter anderem nach Australien führte.
Eines Tages landete ich im Outback, in der unbewohnten und ein wenig unwirklichen Mitte Australiens.
Da stand ich also und drehte mich in alle Himmelsrichtungen. Überall war roter Sand, der sich in einer unendlichen Weite verlief.
Und auf einmal, mitten im Nirgendwo, fiel es mir wie Schuppen von den Augen:
Ich war bis ans andere Ende der Welt gereist und rein gar nichts hatte sich dadurch geändert!
Obwohl ich weit weg von meiner Heimat war, war dennoch alles gleichgeblieben.
Äußerlich mochte sich meine Welt komplett verändert haben, aber in mir hatte sich rein gar nichts verändert!
Ich war immer noch dieselbe.
Ich musste bis ans andere Ende der Welt reisen, um zu erkennen, dass ich mich mitgenommen hatte.
Schlagartig wurde mir klar:
Wohin auch immer ich gehe,
was auch immer ich mache,
ich werde mir selbst nicht entfliehen können!
Mit dieser einprägenden Erfahrung nahm meine Suche eine neue Wendung. Nun war mir klar, dass sich dieses Drängen über eine äußere Veränderung nicht lösen würde.
So machte ich mich auf zu neuen Ufern und beschritt einen Weg, der mich nach innen führte.
Nun suchte ich die Veränderung nicht mehr im Äußeren, sondern im Inneren.
Die Reise nach innen
Kaum war ich zurückgekehrt, begann ich Psychologie zu studieren.
Rückwirkend betrachtet lernte ich viel über die Psyche, doch ich verstand wenig. Meine wirklichen Fragen blieben ungelöst.
Die Reise war also immer noch nicht beendet.
Einer tiefen Sehnsucht folgend begann ich eine Psychotherapieausbildung, um mehr zu verstehen, vor allem mehr über mich selbst zu erfahren.
Damit eröffnete sich mir eine andere Perspektive. Im Psychologiestudium wurde mir viel über die Psyche und über die psychische Entwicklung vermittelt, aber primär aus einer Außenperspektive heraus. Ich lernte beispielsweise etwas über die Entwicklung von Burnouts, die Kriterien eines Burnouts und die Behandlungsmöglichkeiten.
In der Psychotherapieausbildung stiegen wir viel tiefer in die Erfahrung ein. Vermehrt ging es um die innere Perspektive, um das Spüren, Wahrnehmen und Erkennen der inneren Zustände und Zusammenhänge. Wie sich beispielsweise eine Burnout-Dynamik anfühlt, was uns dazu bringt oder in dieser Dynamik hält.
Welchen Unterschied diese Perspektive macht können Sie im Beitrag: „Vorsicht Burnoutgefahr! Funktionieren versus Spüren“ erkennen. Dieser Beitrag zählt keine äußeren Kriterien auf, sondern beschreibt das innere Erleben und Empfinden.
Ab nun ging es also nach innen.
Die Phase der psychischen Selbsterfahrung
Ehrlich mit sich selbst zu sein war am Anfang eine ziemliche Herausforderung und gar nicht so einfach, wie ich gedacht hatte.
Auf dem Weg nach innen begegnete ich doch einigen Empfindungen und Themen, die ich weder sehen noch fühlen oder haben wollte. Noch schwerer erschien es mir, all dies auch noch zu zeigen und somit auch mit diesen Seiten sichtbar zu werden.
Dennoch war es eine spannende Zeit, in der ich viel über mich, aber auch über die anderen lernte. Ich war erstaunt, wie anders andere Menschen oft dachten, fühlten oder sich verhielten.
Eine Weile war ich intensiv mit meiner Selbsterfahrung beschäftigt. Diese Welt war aufregend und das innere Drängen wurde damit übertönt.
Doch die vermeintliche Ruhe währte nicht lange. Alsbald stieß ich an meine psychischen Grenzen.
Obwohl ich mittlerweile
um meine psychischen Themen wusste,
sie rascher erkannte und
besser damit umgehen konnte,
waren diese Gefühle und Themen immer noch da.
Sollten gewisse Ansichten der Psychologie wirklich recht behalten? Sollten wir tatsächlich primär ein Produkt unserer Kindheit sein und den Spuren unserer Kindheitserfahrungen nie ganz entkommen?
Im australischen Outback hatte ich erkannt, dass ich sogar in der offenen Weite innerlich beschränkt geblieben bin.
Nun hatte ich mich in meiner inneren Welt verloren.
Ja, all die Selbsterfahrung war interessant und lehrreich. Aber nun wurde es Zeit, weiter zu gehen.
Ich erkannte, dass ich angefangen hatte, mich um meine Psyche zu drehen.
Mein Drängen war also wieder zurückgekehrt und ließ sich einfach nicht abschalten.
Ein wenig verzweifelt wusste ich anfangs nicht, was ich noch machen sollte.
Gebunden an die psychischen Dynamiken
Nach wie vor fand ich es hilfreich, psychische Mechanismen, Muster und Dynamiken zu kennen und somit auch zu erkennen.
Zunehmend wurde mir klar, dass wir uns an der Oberfläche unterscheiden mochten, aber innerlich gar nicht so verschieden waren.
Erst jetzt verstand ich was C. Rogers – der Begründer der personzentrierten Psychotherapierichtung, die ich erlernte – mit der Aussage, „das Persönlichste ist das Allgemeinste“ meinte.
So wie wir körperlich alle sehr ähnlich funktionieren, funktionieren wir auch psychisch alle recht ähnlich.
Meine Trauer gleicht deiner Trauer und
dein Schmerz fühlt sich ähnlich an wie mein Schmerz.
Verschiedene Gegebenheiten mögen uns traurig machen oder schmerzen und wir mögen unterschiedlich mit unserer Trauer und unserem Schmerz umgehen, aber das grundsätzliche Empfinden von Trauer oder Schmerz ist dasselbe.
Wir erleben gewisse Empfindungen und reagieren auf psychische Dynamiken, womit wir uns alle viel ähnlicher sind als uns bewusst ist.
Im Grunde dreht es sich nur darum,
ob wir ein gewisses Gefühl haben oder nicht und
ob wir in einer bestimmten Dynamik landen oder nicht?
Falle ich beispielsweise in eine Abhängigkeitsdynamik oder in eine Opfer-Täter-Dynamik, wird diese Dynamik dieselben Auswirkungen auf mich haben wie auf jeden anderen, der in dieser Dynamik landet.
Ob ich auf diese Dynamik treffe, in diese Dynamik einsteige oder wie ich damit umgehe, ist eine andere Sache.
Am Anfang frustrierte mich diese Erkenntnis ein wenig. Bedeutet dies dann, dass wir unserer psychischen Abhängigkeit nie ganz entkommen werden?
Der Weg der Bewusstwerdung
Erst ein wenig später dämmerte mir,
wenn Gefühle bei allen gleich sind und
psychische Dynamiken bei allen gleich verlaufen,
warum nehme ich dann all dies so persönlich?
Warum hacke ich dann in dieses Erleben ein und identifiziere mich damit?
Betrifft es andere, habe ich Abstand zu diesem Empfinden, Erleben oder dieser Dynamik. Wenn es mich allerdings selbst betrifft, bin ich ziemlich davon betroffen.
Wir nehmen das innere Geschehen nicht nur sehr persönlich, sondern identifizieren uns auch damit. Dann identifizieren wir uns mit den Gefühlen oder mit der jeweiligen Dynamik.
Dann ist da keine Traurigkeit mehr, sondern: „Ich bin traurig!“
Dann bin ich nicht in eine Opfer-Täter-Dynamik gefallen, sondern: „Ich bin das Opfer!“
Dieses „ich bin“ macht einen großen Unterschied, denn es bestimmt unser Erleben.
Diese Erkenntnis veränderte alles
Jahrelang hatte ich mein Innenleben durchforstet und an mir gearbeitet. Ich hatte viel über mich erfahren und gelernt, aber wirklich verändert hatte sich damit nur wenig.
Ich bekam mehr von mir selbst mit, war ein wenig bewusster, aber ich war immer noch dieselbe!
Abermals eröffnete sich mir dadurch eine neue Welt. Denn nun wurde es möglich, aus dieser psychischen Bezogenheit auszusteigen.
Nach wie vor
gab es die äußere Welt mit all ihren Herausforderungen und
es gab die innere Welt mit ihren Herausforderungen,
aber ich hatte aufgehört, mich mit dieser Innenwelt zu identifizieren.
Und so wurde es möglich, das innere Geschehen einfach nur zu beobachten. Nicht in einer völlig distanzierten Form, in der wir uns von unserem Spüren entkoppeln, sondern “spürend erfahren” und gleichzeitig das, was wir spüren und erfahren, zu beobachten.
Meine psychischen Reaktionen mochten gleich bleiben, aber meine Haltung dazu veränderte sich grundlegend.
Endlich verspürte ich die innere Freiheit, die ich in der Weite des australischen Outbacks so vermisst hatte.
Ich hatte verstanden, dass es nicht um die äußere Freiheit, sondern um eine innere Befreiung ging.
Ein Blog über Psyche und Bewusstsein
Wir leben in einer Welt der Vergänglichkeit und somit auch in einer Welt des Vergessens.
Folglich versuchte ich einen Teil meiner Erkenntnisse zusammenzufassen. Daraus ist schlussendlich das Buch des bewusst seins entstanden, auf das ich immer wieder verweise. Es ist kein Buch für nebenbei, das man einfach nur durchlesen kann. Es ist mein Versuch, die unterschiedlichen Bewusstseinsebenen wie die damit einhergehenden Themen und Erfahrungen zu beschreiben.
Nach wie vor beschäftige ich mich mit Psyche und Bewusstsein, daraus ist nun auch dieser Blog entstanden.
Erkenntnisse von der Couch, eine Verbindung von
der Erkenntnis - ein Begriff, der aus der Bewusstseinsarbeit stammt, und
der Couch - welche die psychische Seite repräsentiert.
Meine Erfahrung lehrte mich, dass die Verbindung von psychischem Wissen mit Bewusstsein hilfreich ist. Dieses Wissen und diese Erfahrung möchte ich gerne auf meinem Blog teilen.
Zum Schluss noch einen kleinen Auszug aus dem Buch des bewusst seins, Seite 39:
„… In dem Moment, in dem wir erkennen, dass wir von der Psyche beeinflusst werden, beginnt eine Veränderung. In dem Moment, in dem uns bewusst wird, dass all dies geschieht, ohne dass ein „Ich“ daran beteiligt ist, findet eine Transformation statt. Unser bewusst sein verändert alles, denn es verändert uns selbst.“