„Du verstehst mich nicht“
Obwohl sie ihm bereits viele Male erzählt hat, wie es ihr geht, versteht er sie immer noch nicht!
Erinnern Sie sich noch an Alois und Susi, die auf meiner Couch waren. Alois war frustriert und hatte aufgegeben. Er hatte sich bemüht, die Probleme seiner Frau zu lösen, während diese all seine Lösungsversuche ignorierte. (nachzulesen in meinen Blogbeitrag “Dir ist nicht zu helfen”) In der Zwischenzeit hat er seine Unterstützungsversuche aufgegeben. Aber auch das war Susi nicht Recht, denn jetzt warf sie ihm vor, kein Interesse mehr an ihr zu haben und sie nicht mehr zu lieben.
Auf der Couch (*)
Im vorherigen Gespräch wurde sichtbar, wie frustriert und verzweifelt Alois über diesen Konflikt war. Als ich währenddessen auf Susi blickte, reagierte sie auf diese Erkenntnis mit Erleichterung. Irgendwie interessierte er sich doch für sie, sie ist ihm wohl doch wichtig. Nach wie vor konnte Alois nicht wirklich begreifen, wie sie daran zweifeln konnte. Er war doch mit ihr zusammen. In seinen Augen sagte das doch bereits alles aus.
Jetzt geht es in diesem Beitrag aber darum, warum Susi so abweisend auf seine Lösungsvorschläge reagiert. Das liegt nicht daran, dass sie nicht an einer Lösung interessiert war, wie Alois es ihr vorgeworfen hatte. Es liegt daran, dass der emotionale Lösungsweg eines weiblichen Gehirns einen anderen Lösungsweg bevorzugt.
Zuerst will Susi einfach nur einmal über ihre Probleme reden. Sie möchte ihm erzählen, wie es ihr geht, sie möchte ihr Empfinden mit ihm teilen. (Näheres dazu in einem zukünftigen Blogbeitrag: „Wie geht es dir?“)
Susi möchte aber nicht nur über ihre Sorgen reden, sie braucht solche Gespräche auch, um ihren inneren Zustand zu klären. Wie ein Pendel umkreist sie das jeweilige Thema, das sie beschäftigt, bis sie verstanden hat, worum es geht. Bei diesem Prozess geht es weniger um das Sammeln von Fakten. Das wäre etwas, was er gerne hätte. Er wünscht sich eine klare, genau umrissene Problemstellung, die er lösen kann. Jemand mit einer emotionalen Ausrichtung, wird aber zuerst über seine Erfahrung sprechen, um diese zu verstehen. Das Reden gleicht sozusagen einem Werkzeug, mit welchem eine erste Lösung erreicht werden soll.
Während sich Alois mit seinem Problem eher aus der Beziehung zurückzieht, um für sich zu klären, was das Problem ist und wie er damit umgehen sollte, sucht sie mit den Dingen, die sie beschäftigen, geradezu den Kontakt zu ihm.
Während Susi ihm von ihren Problemen erzählt, präsentiert Alois bereits fleißig seine Lösungsvorschläge. Er ist sich nicht bewusst, dass er dadurch ihren Erzählprozess stört. Denn zu diesem Zeitpunkt möchte sie keine männliche, handlungsorientierte Lösung. Sie befindet sich gerader auf einem emotionalen Lösungsweg und möchte primär mit ihm Reden, ihm erzählen und vor allem ihm zeigen, wie es ihr gerade geht.
Doch schlussendlich bewirkt genau das wiederum, dass er nach einer Lösung sucht. Er sieht, wie es ihr nicht gut geht und möchte die Situation möglichst rasch für sie lösen. In seiner inneren Welt würde die Lösung des Problems die Sache beenden, nur leider ist das in ihrer Innenwelt nicht so.
Kommt der Lösungsvorschlag zu rasch – und es kann der beste Lösungsvorschlag aller Zeiten sein – dann kann sie ihn nur schwerlich für sich nutzen. Sie fühlt sich von ihm nicht verstanden. Seine Ratschläge wirken sich nicht befreiend auf sie aus, sondern werden oftmals sogar als verletzend empfunden. Denn sie fühlt sich so gar nicht von ihm verstanden. Es geht ihr schlecht und er möchte nun auch noch, dass sie dieses oder jenes tut! In einem negativen emotionalen Zustand wird es für sie aber schwierig, Dinge umzusetzen und ins Handeln zu kommen. Ihr emotionales Befinden nimmt zu viel Raum in ihrem Inneren ein und blockiert die weiteren Schritte. Solange es ihr nicht gut geht, wird es schwierig für sie, in eine Umsetzung zu kommen.
Und somit sind wir bei einem typischen emotionalen, oftmals weiblichen Bedürfnis angekommen. Sie möchte im Grunde nur eines, sie möchte, dass er ihr zuhört! Sie möchte reden und braucht jemanden, der ihr zuhört.
Manches Mal entspannt sich dadurch die Situation zwischen den Paaren. Weiß ein Mann, dass sie gerade keine Lösung von ihm erwartet, kann er sich erst einmal zurücklehnen und entspannen. Dadurch wird es für ihn einfacher, sie einfach nur erzählen zu lassen. Die erste Lösung, die er ihr geben kann, ist sein Zuhören, womit er Teil ihrer Lösung wird.
Doch so einfach ist das nicht zwischen den Geschlechtern. Als Susi schlussendlich ihrem Alois sagen kann, dass sie sich im Grunde nur wünscht, dass er ihr zuhört, wird er ärgerlich. Er hat ihr doch die ganze Zeit über zugehört und weiß genau worum es geht. Um dies zu beweisen, schildert er mir mit knappen Worten Susis Situation.
Es stimmt, offensichtlich hat er ihr zugehört und das Problem verstanden. Dennoch ist Susi nicht zufrieden. Bei näherem Hinhören wird klar, warum sie unzufrieden ist. Alois hat, wie sollte er auch anders, mit seinem männlichen Gehirn zugehört. Das bedeutet er hat Informationen und Fakten gesammelt und versucht das Problem möglichst genau zu erfassen.
Alois und Susi ist nicht klar, dass sie von einem unterschiedlichen Zuhören reden. Paare reden gerne darüber, dass sie sich wünschen, dass ihnen der andere zuhört, doch die Gewichtung ihrer Kommunikation ist eine völlig andere. So wird er sich beim Zuhören mehr auf die jeweilige Information stürzen, während sie sich beim Zuhören eher auf die emotionale Dimension des Geschehens stürzt. Wenn Susi also von ihm möchte, dass er ihr zuhört, wünscht sie sich, dass er mitbekommt, wie es ihr dabei geht. Sie will, dass er versteht, wie schlimm es für ist, zur Arbeit zu gehen, weil sie sich dort so allein und ausgegrenzt fühlt.
Hier können wir bereits erkennen, wie sich das nächste Problem anbahnt. Susi wünscht sich zwar, dass er versteht, wie ausgegrenzt und allein sie sich gerade fühlt. Doch da sie sich selbst gerade in ihrem emotionalen Suchprozess befindet – also in einem Prozess, in dem sie mit ihm darüber redet und dabei erst einmal versucht selbst zu verstehen, was es emotional für sie bedeutet – kann sie ihm anfangs noch gar nicht genau sagen, wie es ihr geht.
Als es gelingt, ihm zu sagen, wie ausgeschlossen sie sich fühlt und wie schlimm es für sie ist, reagiert er sofort und nimmt sie einfach in den Arm. Schlagartig entspannt sich die Situation zwischen den beiden.
Was ist passiert? Susi fühlte sich in ihrem Empfinden gesehen und verstanden, wodurch sich ihre emotionale Spannung löste. Nun wird sich zeigen, ob diese Lösung ausreichend für sie ist, oder ob sie noch eine konkrete Lösung braucht. Wie auch immer sie sich entscheiden wird, es ist hilfreich, wenn es zu einer emotionalen Lösung kommt, weil sie dadurch leichter in die Umsetzung einer konkreten Veränderung findet. Und manches Mal besteht die Lösung gar nicht in einer konkreten Veränderung, sondern lediglich in einer Veränderung der emotionalen Situation.
Die unterschiedliche Gewichtung in mental und lösungsorientiert oder emotional und erfahrungsorientiert, lässt sich bei beiden Geschlechtern finden. Auch wenn Männern häufig eine mentale Ausrichtung näherliegt und Frauen eine emotionale Gewichtung oftmals vertrauter ist, sind wir doch alle immer auch mental und emotional. So kann eine emotional orientierte Frau auch rationale Entscheidungen treffen können, oder ein mental orientierter Mann Gefühle zeigen.
Die Unterteilung in mentaler und emotionaler Reaktion soll uns helfen zu erkennen, auf welchen Spuren wir gerade wandeln. Somit wird es einfacher für uns zu erkennen, was wir selbst gerade wollen oder was der Andere braucht. Dabei ist keine der Ausrichtungen besser oder schlechter. Beide Seiten, mental wie emotional, sind wichtig für uns.
So lässt sich die unterschiedliche Gewichtung in der Wahrnehmung auch beim Lesen dieses Blogeintrags finden. In einer emotionalen Betrachtungsweise können wir erleichtert sein und uns verstanden fühlen, in einer eher mentalen Betrachtungsweise wird uns eine solche Beschreibung weniger zufriedenstellen. Dann drängen sich förmlich weitere und lösungsorientierte Fragen auf, Fragen wie: „Und jetzt? Was kann/soll ich tun, damit sich das verändert oder verbessert?“
Sie sehen also, es betrifft uns alle.
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(*) Alle Beispiele, die von der Couch erzählen, beschreiben gewisse Dynamiken und Strukturen. Die Klientennamen sind fiktiv und wurden nur für einen leichteren Lesefluss hinzugefügt.