Weil ich “das” nicht spüren will, unterdrücke ich meine Gefühle
Ich will nicht immer spüren, was ich gerade spüre!
Ich habe keine Lust, mich schlecht zu fühlen,
und auch keine Zeit all diesen Empfindungen nachzuhängen!
Ich will das, was ich gerade fühle,
gar nicht fühlen!
Weil es sich nicht gut anfühlt,
weil es unangenehm ist
und wirklich weh tut.
Mit Anfang 20 merkte ich, dass ich angefangen hatte, mein Spüren einzuschränken. Ich landete in einem Zustand, der sich so überhaupt nicht gut anfühlte. Sich nicht mehr zu spüren fühlte sich tatsächlich um vieles grausamer an, als sich traurig, verletzt oder einsam zu fühlen.
Also traf ich eine Entscheidung: „Ich wollte mich spüren! Egal, wie weh es tat oder wie unangenehm es war. Denn alles fühlte sich besser an, als diese gefühlte Taubheit in mir!“
Das unerwünschte Spüren
Wie gehen Sie mit Ihren unliebsamen oder ungewollten Gefühlen um?
Die meisten Menschen wählen – so wie ich damals – die Strategie der Unterdrückung und unterdrücken das unerwünschte und ungewollte Gefühl.
Die Gefühlsunterdrückung führt dazu, dass wir dieses Gefühl nicht mehr spüren müssen, was anfangs einen durchaus angenehmen Charakter hatte.
Erst wenn wir die Strategie der Gefühlsunterdrückung längerfristig anwenden, zeigen sich die negativen Seiten der Unterdrückung.
Aber warum unterdrücken wir unsere Gefühle überhaupt?
Obwohl uns die Unterdrückung von Gefühlen ziemlich vertraut ist, sind wir doch ein wenig wählerisch, wenn es darum geht, welche Gefühle wir unterdrücken.
Angenehme und erwünschte Gefühle, wie Freude, Unbeschwertheit, Leichtigkeit oder auch Verliebtheit unterdrücken wir normalerweise nicht. Fühlt es sich gut an, wollen wir dies auch spüren. Warum sollten wir es nicht spüren wollen?
In Konflikt mit den eigenen Gefühlen
Doch geraten wir in Konflikt mit unseren Gefühlen, sieht es gleich ein wenig anders aus.
Ist der Partner gerade sehr traurig oder depressiv, drücken wir unsere Freude oder unser Glücksgefühl möglicherweise weg – um diese dem Partner nicht zuzumuten - oder vielleicht auch um ihm keine Möglichkeit zu geben, uns dieses Gefühl madig zu machen.
Auch ein Verliebtheitsgefühl unterdrücken wir vermutlich, wenn wir uns die Verliebtheit nicht eingestehen oder erlauben dürfen. Richtet sich unsere Verliebtheit auf eine Person, auf die sie nicht gerichtet werden sollte – wie den Partner der Schwester oder der Frau des Chefs – oder haben wir in eine Beziehung und können uns solche Verliebtheitsgefühle zu einer anderen Person gar nicht erlauben – dann geraten wir ebenfalls in Konflikt mit unserem Gefühl.
Der Grund der Gefühlsunterdrückung: So darf ich nicht fühlen, so will ich nicht fühlen und so darf ich nicht sein!
Üblicherweise unterdrücken wir Gefühle nur, wenn sie in irgendeiner Weise „unangenehm“ für uns sind. Dabei handelt es sich um
Gefühle, die nicht erlaubt sind. Gefühle, die von außen, von der Familie, der Sippe, der Gesellschaft, nicht erwünscht oder gar verboten sind, so wie Gefühle, die nicht geduldet werden, die sanktioniert werden. Wie beispielsweise – „Ich darf keinen Menschen lieben, der einen anderen Glauben hat“, „Nur Schwächlinge zeigen ihre Verletztheit!“ oder „Eine Frau hat nicht aggressiv zu sein und ein Mann hat nicht zu weinen und traurig zu sein!“
Gefühle, die wir nicht haben wollen. Jene Gefühle, die unserer inneren Norm, unseren Regeln, unseren Erwartungen oder auch unserem Bild von uns selbst widersprechen. Gefühle, die wir negativ bewerten, wo wir uns nicht erlauben können, so zu empfinden. Oft sind diese ident mit jenen Gefühlen, die uns nicht erlaubt wurden. Wie beispielsweise – „Ich bin doch nicht eifersüchtig oder aggressiv!“
Gefühle, die wir nicht fühlen wollen. Das betrifft vor allem jene Gefühle, die sich unangenehm oder schmerzhaft anfühlen. Wie beispielsweise – „Ich will nicht traurig oder verletzt sein!“
Die üblichen Verdächtigen der Gefühlsunterdrückung
Besonders häufig werden jene Gefühle unterdrückt, denen wir eine negative Zuschreibung geben. Gefühle, wie:
Ärger, Aggression, Wut, Zorn, Rachegefühle
Schmerz, Trauer, Einsamkeit oder Verlassenheit
Angst
Kränkung – siehe auch Beitrag „Kränkung – von alten Wunden gequält“
Stolz, Habgier, Neid, Eifersucht
Hilflosigkeit, Bedürftigkeit, Ohnmacht oder Verzweiflung
Schamgefühle oder Schuldgefühle
Gerade wenn das Spüren schmerzhaft wäre,
entscheiden wir uns gerne,
dieses Gefühl auf die Seite zu drücken
um es nicht spüren zu müssen.
Die Unterdrückung der Gefühle geschieht willentlich
Unterdrücken wir ein Gefühl, ist das
ein aktiver Akt,
welcher auf einer mehr oder weniger willentlichen Entscheidung beruht,
die wir gerade treffen, oder irgendwann getroffen haben.
Bereits früh in meinem Leben hatte auch ich die Entscheidung getroffen, bestimmte Gefühle einfach nicht mehr sonderlich zu spüren.
Die Gefühlsunterdrückung beruht also auf einer mehr oder minder getroffenen bewussten Entscheidung. Entscheidungen, wie:
„Ich lasse mich nie wieder so verletzen“ oder „Ich lasse nie wieder zu, dass mir jemand so nahekommt, dass er mir weh tun kann“
„Ich zeige meine Gefühle einfach nicht mehr, weil es sowieso niemanden interessiert!“
„Euch zeige ich nicht, wie sehr mich euer Verhalten verletzt! Diese Genugtuung bekommt ihr ganz sicher nicht von mir!“
„Wenn ich eifersüchtig bin, verlässt er/sie mich. Also unterdrücke ich meine Eifersucht besser!“
„Ist mir doch egal“ – Ich zeige meine sensible Seite nicht und verhalte mich einfach so, als würde das nichts in mir auslösen.
„Nie wieder in meinem Leben will ich mich so … fühlen!“ - so ohnmächtig, so hilflos, so abhängig, so einsam, so ausgegrenzt…
Durch die Gefühlsunterdrückung tritt eine erste Entlastung ein
Haben wir das unangenehme Gefühl unterdrückt, haben wir es sozusagen aus unserem Empfindungsraum gedrückt. Das führt dazu, dass
wir dieses Gefühl
nicht mehr spüren müssen
Im ersten Moment fühlt sich eine Gefühlsunterdrückung durchaus gut an – Ich muss es nicht spüren – zumindest jetzt nicht!
Eine kurzfristige Gefühlsunterdrückung
Gefühle kurzfristig zu unterdrücken, kann durchaus von Vorteil sein.
Vor allem leistungsorientierte Menschen wenden diese Strategie häufiger an. Sind wir beispielsweise von einem partnerschaftlichen Streit verletzt oder haben wir uns fürchterlich über den Nachbarn geärgert, dann kann es durchaus hilfreich sein, dieses Gefühl ein wenig wegzudrücken, um sich den aktuellen Herausforderungen widmen zu können.
Obwohl wir unseren Schmerz oder unseren Ärger gerade nicht empfinden, hätten wir dennoch Zugang zu unserem unterdrückten Gefühl. Nach der Bewältigung unserer Herausforderung können wir jederzeit wieder auf unsere Verletzung oder unseren Ärger zurückgreifen.
Während eine kurzfristige Gefühlsunterdrückung keine sonderlichen Auswirkungen hat, sieht es bei einer längerfristigen Gefühlsunterdrückung anders aus.
Dann Funktionieren wir vielleicht immer noch mehr und spüren uns immer noch weniger. Siehe auch Beitrag: “Vorsicht: Burnoutgefahr! Funktionieren versus Spüren”
Die abscheuliche Vase
Stellen Sie sich vor, Sie haben zu Weihnachten eine hässliche Vase von Ihrer Erbtante bekommen. Sie finden die Vase scheußlich und möchten diese am liebsten loswerden. Das können Sie aber nicht, weil diese Vase eine große emotionale Bedeutung für Ihre Tante hat.
Was tun Sie also mit dieser unliebsamen abscheulichen Vase, die Sie ganz sicher nicht bei sich aufstellen und jeden Tag sehen wollen? Sie werden die Vase wahrscheinlich in den Keller verbannen, ganz weit hinten, so dass Sie sich nicht mehr über diese Scheußlichkeit ärgern müssen.
Mit der Zeit wandern immer mehr Sachen in ihren Keller, so dass Sie die Vase gar nicht mehr sehen. Sie vergessen, dass eine scheußliche Vase in Ihrem Keller steht. Jetzt kommt die spannende Frage:
Wenn Sie die Vase nicht mehr sehen,
ist diese dann noch da oder
ist sie verschwunden?
Unterdrückte Gefühle verschwinden nicht einfach
So wie die scheußliche Vase nicht einfach aus ihrem Kellerabteil verschwindet, lösen sich auch die unterdrückten Gefühle nicht einfach auf. Sie werden lediglich im hintersten Kellerabteil unserer Psyche vergraben.
Wir mögen unsere unterdrückten Gefühle nicht mehr spüren,
aber sie sind immer noch da!
Denn eine Gefühlsunterdrückung löst die ungewollten Gefühle nicht auf. Dennoch hat sie Auswirkungen. Eine Gefühlsunterdrückung mag wenig Einfluss auf unsere Gefühle haben, aber sie hat große Auswirkungen auf unsere Gefühlswahrnehmung.
Von der Unterdrückung der Gefühle zur Gefühlsignoranz
In der Unterdrückung
ignorieren wir unser Gefühl
Je länger wir unsere Gefühle ignorieren, umso mehr verschwinden sie aus unserem Gewahrsein. Denn unsere Wahrnehmung funktioniert ein wenig wie ein Muskel.
Wird unsere Gefühlswahrnehmung nicht ausreichend benutzt,
wird sie auch nicht trainiert
und verkümmert.
So lernen wir unangenehme Gefühle nicht mehr wahrzunehmen und entwickeln blinde Flecken in unserer emotionalen Wahrnehmung. Das wird eine Zeitlang gut gehen und wir werden uns gar nicht schlecht dabei fühlen – weil wir uns ja nicht mehr sonderlich spüren.
Aber neben dem
erwünschten verminderten negativen Spüren, kommt es auch zu einem
unerwünschten verminderten positiven Spüren.
Eine längerfristige Gefühlsunterdrückung wirkt sich auf alle Gefühle aus!!!
Die Gefühlsunterdrückung ist eine gefährliche Gewohnheit
Die Gefühlsunterdrückung schenkt uns eine erste einfache Lösung. Wir müssen uns
unserem Gefühlskonflikt nicht stellen,
keine unangenehmen oder schmerzhafte Gefühle spüren und
uns mit solchen Gefühlen auch nicht auseinandersetzen.
Aber gerade, weil die Unterdrückung eine einfache, schnelle und erträgliche Lösung bietet, besitzt sie auch ein gewisses Gefahrenpotential. Eine Gefühlsunterdrückung kann zu einer Lösungsstrategie für unangenehme Gefühle und somit zur Gewohnheit werden. Dann
drücken wir nicht nur jetzt, sondern jedes Mal unsere Traurigkeit weg,
ignorieren unsere Verletzung oder
ersticken unseren Ärger im Keim.
Je öfter wir uns die Strategie der Gefühlsunterdrückung anwenden, umso schneller werden wir. Wir werden so gut darin, dass dieser Vorgang automatisch geschieht. Mit der Zeit merken wir es gar nicht mehr, wenn wir unsere Gefühle unterdrücken. Nun fängt es an, schwierig zu werden. Denn ab diesem Moment bekommen wir gar nicht mehr mit, was wir mit unseren Gefühlen machen!
Gefühle verdrängen
Unterdrücken wir gewisse Gefühle immer wieder, wandelt sich die Unterdrückung in eine Verdrängung.
In der Verdrängung werden Inhalte oder Empfindungen,
die wir nicht spüren wollen oder
nicht spüren können,
komplett aus unserem Gewahrsein gestrichen. Die verdrängten Gefühle oder verdrängten Inhalte wären zwar noch da, aber sie sind uns nicht mehr zugänglich.
Während wir bei einer Unterdrückung noch Zugang zu unseren Empfindungen haben, verlieren wir diesen Zugang bei der Verdrängung.
Unterdrückung – Ich weiß, dass ich aggressiv, traurig oder verletzt bin, möchte aber meine Wut, meine Traurigkeit oder meinen Schmerz gerade nicht spüren.
Verdrängung – Da wäre eine Aggression, eine Traurigkeit oder ein Schmerz, aber jeder dahingehende Impuls wird sofort unterbunden und verdrängt. So rasch, dass der jeweilige Impuls nicht mehr in mein Gewahrsein kommt, weshalb ich dieses Gefühl nicht mehr wahrnehmen kann.
Bezieht sich die Verdrängung auf ein Erlebnis, erinnern wir uns nicht mehr, bezieht es sich auf ein Gefühl, spüren wir es nicht mehr.
Mit der Verdrängung löst sich das Erlebnis oder das Gefühl aber nicht einfach auf,
es verschwindet lediglich aus unserer Wahrnehmung!
In der Unterdrückung ist die scheußliche Vase im hintersten Kellerabteil gelandet. In der Verdrängung haben wir vergessen, dass es einen versteckten Keller gibt, in dem all das, was wir vor uns selbst verbergen wollen oder müssen, gebunkert wird.
Eine Unterdrückung aufzulösen fühlt sich zwar unangenehm an, ist aber noch relativ einfach. Eine Verdrängung aufzulösen, wo wir nicht einmal mehr wissen, dass wir etwas verdrängen, ist um vieles schwieriger!
Die unterdrückten Gefühle warten auf uns
Unterdrückte oder verdrängte Gefühle lösen sich nicht einfach auf. Sie bleiben erhalten und sammeln sich in unserem unbewussten Keller.
Dort verweilen unsere unliebsamen „Kellergefühle“ und warten darauf, bis sich die Kellertür öffnet. Kaum geht diese auch nur einen kleinen Spalt auf, drängen sie massiv nach oben – in unser Bewusstsein und in unser Spüren. Aber mehr darüber in einem weiteren Beitrag.
Die unterdrückten Gefühle verlangen nach einer Auflösung
Wollen Sie keine abgelehnten „Kellergefühle“ in ihrem Unterbewusstsein ansammeln, dann ist es gut, wenn Sie anfangen,
wieder zu fühlen, was Sie nicht fühlen wollten!
Auch wenn es weh tut: Es ist immer noch besser sich zu spüren, als sich irgendwann nicht mehr zu spüren!
In diesem Sinne:
Passen Sie gut auf ihre Gefühle und Empfindungen auf, vor allem auf jene, die Sie nicht besonders mögen!
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Liebe Brigitte,
habe lieben Dank für den ausgezeichneten und erhellenden Beitrag. In meinem Umfeld haben sich einige wiedererkannt. Dein Beitrag hilft immens sich selber bewußt zu werden, in welche Mühle man tappen kann. Klar, aus Energeimangel ist es immer schwieriger sich dessen bewußt zu werden und dann auch da wieder herauszukommen. Aber jeder kann rechtzeitig STOP oder NEIN sagen.
Gerade in der heutigen Zeit ist es wichtig, wieder klare Grenzen zu setzen, insbesondere wenn es um die eigene Energie geht. Sind wir doch über tausende Jahre dazu erzogen worden, genau dies nicht zu tun. Wir wurden als "Batterein" gehalten und müssen jetzt lernen, da wieder auszusteigen und die Kurve kriegen.
Ein schöner wertvoller Beitrag, vielen lieben Dank
Wilhelm