Einfach nicht verstehbar
Es gibt Erfahrungen, die wir einfach nicht verstehen können. Wie können wir mit solchen Erlebnissen umgehen?
Aus der Praxis (*)
Völlig überraschend wurde Nadine von ihrem Partner verlassen. Von einem Tag auf den nächsten hatte er seine Sachen gepackt und war einfach aus ihrem Leben verschwunden. Sie hatte nicht die geringste Ahnung, dass er sie verlassen wollte.
Immer wieder sah der eineinhalb-jährige Tom in die Ecke des Wohnzimmers, begann zu strahlen und plapperte freudig. Seine Mutter verstand nicht, was es mit der leeren Ecke auf sich hatte.
Norbert verstand die Welt nicht mehr. Das Verhalten seiner neuen Freundin war nicht berechenbar. Aufgrund von Kleinigkeiten, oft auch ohne ersichtlichen Grund für ihn, kam es zu aggressiven und verletzenden Ausbrüchen seiner Freundin. Norbert wollte verstehen, warum sich seine Freundin so verhielt. Er dachte, wenn er es nur ausreichend verstehen würde, könnte er sein Verhalten verändern und die Beziehung wäre kein ständiges Mienenfeld mehr.
Die Tochter von Nora verstarb plötzlich und unerwartet. Nichts wies auf dieses Ereignis hin. Sie sackte einfach in sich zusammen und war tot. Neben der unsagbaren Trauer drängte sich die Frage nach dem „Warum?“ auf. „Warum musste ausgerechnet ihre Tochter, die ihr Leben noch vor sich hatte, sterben?“
Fabien nervte ihren Freund wohl zum hundertsten Mal. Ständig wollte sie wissen, warum er sie liebte. Egal, wie oft er diese Frage bereits beantwortet hatte, seine Antworten genügten ihr nicht!
Ein eigenwilliger Typ ging an Klaus vorbei. Plötzlich stellten sich ihm die Nackenhaare auf. Irritiert blickte er dem schrägen Typen hinterher. Dieser war dunkel gekleidet und wirkte eher schmächtig. Im Vergleich dazu war er um einiges größer und kräftiger. Er würde sich sicher gegen dieses Leichtgewicht zur Wehr setzen können. Und dennoch war da diese eigenwillige Furcht in ihm. Mit so jemanden, wie dieser Gestalt, wollte er sich wirklich nicht anlegen!
Alle haben eines gemeinsam, Menschen haben eine Erfahrung gemacht, die sie nicht verstehen und nicht begreifen können. Das, was wir nicht verstehen, kann mitunter ziemlich voneinander abweichen. So wird sich jemand, der die Gewissheit hat liebenswert zu sein, sich vermutlich nie die Frage nach dem “Warum liebst du mich?” stellen. Oder eine Mutter, die ihr kleines Kind beobachtet wie es mit jemanden zu kommunizieren scheint, wird sich nicht wundern, wenn sie sich erinnert, dass ihre Oma ihr erzählte, sie hätte dasselbe als kleines Kind gemacht.
Nicht verstehbar sind jene Ereignisse oder Erfahrungen für uns, die wir uns nicht erklären können.
Nicht verstehbar, nicht greifbar und nicht begreifbar
Es gibt Erfahrungen, die nicht nachvollziehbar, nicht fassbar, nicht verstehbar und nicht begreifbar für uns sind.
Manchmal geschehen überraschende Dinge, die wir nicht vorhersehen konnten.
Manchmal reagieren Menschen so anders, dass wir deren Reaktion nicht nachvollziehen können oder sie reagieren auf etwas, wo wir nicht erkennen können worauf.
Manchmal reagieren wir selbst ein wenig komisch, so dass wir nicht verstehen, warum wir so reagieren.
Manchmal spüren oder wissen wir etwas, das wir uns nicht erklären können.
Manchmal fühlen wir etwas, ohne dass es einen ersichtlichen Grund dafür gibt.
Manchmal begegnen wir aber auch Gefühlen im außen, die nicht nachvollziehbar und nicht begreifbar für uns sind.
Wir wollen verstehen
Die meisten Menschen wollen Nicht-Verstehbares verstehen. Bevorzugt begegnen wir dieser Suche bei negativen Erlebnissen oder Erfahrungen, die sich bedrohlich für uns anfühlen. Dann suchen wir nach dem Grund, nach der Ursache, suchen nach einem höheren Sinn und Zweck des Ganzen.
Je weniger wir ein Ereignis nachvollziehen können und je mehr uns diese Erfahrung bedroht, umso eher werden wir versuchen, es zu verstehen. Wir wollen begreifen, was geschehen ist und wie es dazu kam.
Hinter dieser Suche verbirgt sich die Hoffnung, dass wir – wenn wir nur verstehen – solche negativen Ereignisse in der Zukunft abwenden und vermeiden können. Wenn wir nur begreifen, wie es dazu kam, können wir solche Situationen das nächste Mal verhindern.
Wir werden nicht alles verstehen
Wir betrachten unser Leben über den Verstand und versuchen uns und unsere Erfahrungen zu verstehen. In vielen Bereichen ist dieses Verstehen auch günstig und wichtig. Indem wir beispielsweise Zusammenhänge erkennen, lernen wir auch.
Dennoch ist unser Verstehen begrenzt. Wir werden nicht alles verstehen und so ist Quantenphysik für mich und wohl für viele andere nicht verstehbar.
Aber es gibt auch Dinge, die einfach nicht verstehbar sind. Verrückte Verhaltensweisen oder verrückte Denkweisen sind „ver-rückt“ und weichen somit vom üblichen Verhalten oder Denken ab. Wenn jemand einfach ohne ein Wort aus einer Beziehung verschwindet oder ohne erkennbaren Grund unberechenbare Impulsdurchbrüche zeigt, so weicht dieses Verhalten vom “normal zu erwarteten Verhalten” ab und ist uns weder nachvollziehbar noch verständlich.
Existenzielle Erfahrungen von Geburt, Liebe oder Tod sind ebenfalls außerhalb des Verstehens angesiedelt und somit nicht wirklich begreifbar für uns. Und alles, was außerhalb unseres Vorstellungsvermögens liegt, ist ebenfalls nicht greifbar für uns. Was wir uns nicht vorstellen können, können wir auch nicht begreifen.
Wir werden also nie alles verstehen und begreifen können. Aber wie können wir mit nicht verstehbare Erfahrungen dann umgehen?
Die Suche nach den verborgenen Zusammenhängen
Verstehen wir etwas nicht, finden wir häufig keine Ruhe. Wir haben die Neigung die „verborgenen Ursachen“ zu ergründen. Und so denken wir oft lange über nicht Verstehbares nach. Nachdenken und Reflektieren sind durchaus positive Eigenschaften. Doch wenn wir aus unserem Denkkarussel nicht mehr aussteigen können, uns immer wieder im gedanklich im Kreis drehen, kann das Nachdenken auch zur Last werden.
Tatsache ist, dass es Ereignisse und Erfahrungen gibt, die einfach nicht verstehbar für uns sind.
Manchmal finden wir eine Erklärung mit der wir uns arrangieren können. Bei unbegreiflichen Ereignissen greifen wir gerne auf das „nicht Greifbare“ zurück. Auf unseren Glauben, auf das Schicksal, auf übergeordnete Mächte oder höherwertige Gesetze wie das Karma, welches einen höheren Sinn hinter all dem Unbegreiflichen vermuten lässt. Es beruhigt uns, wenn solche Erfahrungen einen Sinn ergeben, auch wenn uns dieser Sinn momentan noch nicht zugänglich ist.
Wenn wir keine Erklärung finden
Finden wir eine Erklärung für uns, kann es gedanklich wieder ruhiger für uns werden. Aber manchmal gelingt es uns nicht so leicht, eine Erklärung zu finden. Dann haben wir ein Problem, denn unser Verstand mag keine unabgeschlossenen Dinge. Offene Themen werden immer wieder in unser Gewahrsein drängen, so lange, bis wir sie abschließen können.
Das kann dazu führen, dass wir lange um solche Erfahrungen kreisen. Wir wollen das „Unverstehbare“ verstehen, wollen das „Unbegreifliche“ begreifen, wollen das „nicht Fassbare“ zu fassen bekommen, aber es funktioniert einfach nicht.
Unser Verstand verlangt nach einer Lösung, nur liegt diese Lösung nicht immer im Verstand oder im Verstehen.
Eine Schublade für das „Unverstehbare“ und für das “nicht Verstehbare”
Unser Verstand möchte Informationen verstehen, einordnen und ablegen. Kann er die Information ablegen, kann er sich wieder anderen Themen zuwenden.
So gesehen ist es gut, wenn unser Verstand ein Ablagesystem für das „Unverstehbare“ hat. Ein höherer Sinn, der hinter dieser Erfahrung steht, bietet eine Möglichkeit der Einordnung von solchen Informationen.
Aber nicht immer ist es uns möglich, einen höheren Sinn dahinter zu erkennen. Folglich ist es gut, wenn wir unserem Verstand ein weiteres Ablagesystem zur Verfügung stellen.
Stellen Sie sich Ihren Verstand ein wenig wie einen Bibliothekar vor, der in einem großen Raum inmitten von vielen Wissensbüchern und Schubladen voller Erfahrungsinformationen haust. Es ist die Bibliothek ihres persönlichen Wissens und es ist jener Raum, in dem ihr Verstand Nachschau hält. Findet er dort keine Erklärung für eine Information oder eine Erfahrung, wird er unrund und fängt an, in seinen Aufzeichnungen zu wühlen. Er weiß einfach nicht, was er mit dieser Information anfangen soll.
Jetzt können wir einfach zusehen, wie sich unser Denken anfängt im Kreis zu drehen. Wir können unserem Verstand aber auch eine alternative Möglichkeit anbieten, sich wieder zu beruhigen. Wir können einfach eine neue Schublade in unserer Bibliothek des Wissens schaffen. Eine Schublade auf der geschrieben steht: NICHT VERSTEHBAR UND NICHT BEGREIFBAR. Eine Lade, in die unser Verstand jene Informationen und Erfahrungen ablegen kann, die wir nicht fassen, nicht verstehen und nicht begreifen können.
So können wir innerlich ein wenig Ordnung schaffen. Unser Leben ist einfacher, wenn wir innerlich aufgeräumt sind.
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(*) Alle Beispiele beschreiben gewisse Dynamiken und Strukturen. Die Namen sind fiktiv und wurden nur für einen leichteren Lesefluss hinzugefügt.